Die Geschichte der Freimaurerei in Kassel reicht bis in das Jahr 1766 zurück und die Kasseler Logen zählen zu den ältesten gesellschaftlichen Vereinigungen der Stadt. Sie fühlen sich eng mit der Stadt verbunden und haben im Laufe der Geschichte sichtbare Spuren in der Stadt hinterlassen.
Kasseler Freimaurerlogen von 1766 bis 1794 (1806)
Im späten 18. Jahrhundert fand sich in Deutschland städtisches Bürgertum in gelehrten Gesellschaften, Lesezirkeln und Vereinen zusammen, um sich selbsttätig zu bilden und im gemeinsamen Gespräch auszutauschen. Überlieferte gesellschaftliche Trennungen – Konfession, Herkunft und Zugehörigkeit zu einem gesellschaftlichen Stand – sollten in den Hintergrund treten. Das Bürgertum formierte sich nach selbstgesetzten Regeln. Die Freimaurerei, über das städtische Bürgertum in Hamburg und etwa Frankfurt nach Deutschland gelangt, bot mit ihren zentralen Ansprüchen – Toleranz, Gleichheit und freie Denkweise im offenen Austausch – eine Anknüpfung an die sich wandelnden Vorstellungen von Gesellschaft und versprach eine radikale Umsetzung mit dem Prinzip der Wahl für Ämter und für die Aufnahme in den Bund. In der Landgrafschaft Hessen-Kassel kam es von Frankfurt aus schon früh in Marburg zur ersten Gründung, ab 1766 folgte Kassel. Die frühen Kasseler Logen gerieten in Turbulenzen um mystische Strömungen, praktische naturwissenschaftliche Experimente und um die Berufung auf eine Herkunft von mittelalterlichen Tempelrittern.
In Kassel wurde 1766 mit Zum Thale Josaphat eine Loge gegründet, die sich jedoch nach Zwistigkeiten bald wieder auflöste. Am 13. Oktober 1771 stifteten Brüder aus demselben Kreis die Loge Zum gekrönten Löwen, die bald durch zahlreiche Persönlichkeiten aus der Residenz – Militär, Adel, Professoren und bürgerliche Beamte – anwuchs. Es überwogen Beamte und Militärs, die sich außerhalb ihrer Loge in einem engen Beziehungsgeflecht bewegten. Die am 13. August 1773 gegründete Loge Friedrich von der Freundschaft setzte sich in ihrer Zusammensetzung hiervon deutlich ab. Zahlreiche Katholiken – vor allem italienische und französische Hofkünstler – arbeiteten hier neben reformierten Theologen, überhaupt war das bürgerliche Element stärker vertreten. Ab 1784 bot sich die Loge Zum Tempel der wahren Eintracht als Alternative an, um über Reformvorstellungen zu ursprünglichen Ritualformen zurückzukehren.
Die Französische Revolution 1789 schaffte bei vielen Deutschen das Bewusstsein einer Zeitenwende, besonders Freimaurer dürften die Forderungen nach Gleichheit und Freiheit begrüßt haben. Landgraf Wilhelm IX. erkannte in Revolution und deren politischen Zielen eine Gefahr für sein monarchisches Herrschaftsverständnis. Überwachung, Zensur, Inhaftierungen und das Verbot von geheimen Gesellschaften machten nach 1793/94 die weitere Arbeit der Logen in Kassel unmöglich. Erst der Zusammenbruch des Kurstaats und die Flucht des Kurfürsten 1806 schaffte wieder Raum für freimaurerische Betätigung.
Kasseler Freimaurerlogen von 1806 bis 1866
Nach seinem Einzug in Kassel verkündete Jérôme am 15. Dezember 1807: „Indem ich den Thron besteige, verpflichte ich mich, Euch glücklich zu machen, und ich werde treu diesem Gelübde seyn.“ Das Versprechen des Herrschers des geplanten Modellstaats. In diesem Modellstaat hatte auch die Freimaurerei ihren Platz. So durften die Brüder der 1793 im späteren Kurhessen verbotenen Loge unter neuem Namen Hieronymus Napoleon zur Treue wieder arbeiten. Diese Loge war zweisprachig und als solche eine Stütze des Königreichs.
Das ist umso erklärlicher, da mehrere von Napoleons Mitstreitern und seine Brüder Mitglieder des Bundes der Freimaurer waren. Joseph-Jérome Siméon, war einer der drei Regenten, die bis zur Ankunft des Königs die Geschäfte führten. Zugleich war er auch Großkonservator des Grand Orient de France und Großmeister der Großen Mutterloge des Königreichs Westphalen. Dieser Großloge gehörten 22 Logen zwischen Kassel, Nienburg und Magdeburg an. 1809 wurde die Loge Des arts et l’amitié und 1812 die Loge Catherine de la parfaite Union gegründet. In den ersten Dezembertagen 1813, mit dem Ende des Königreichs Westphalen, stellten die drei Kasseler Logen ihre Arbeiten ein.
Noch 1813 genehmigte Kurfürst Wilhelm I. die Gründung der Loge Wilhelm zur Standhaftigkeit. Außer ihr bildeten die Logen Eschwege, Marburg, Rinteln, Hanau, Ziegenhain, Hersfeld und Nentershausen die Provinzial-Loge von Kurhessen. 1814 kam noch die Loge Zur vollkommenen Eintracht und Freundschaft dazu. Um dem vielfach empfundenen Bildungsnotstand abzuhelfen, hatte die Großloge und die zwei Kasseler Logen 1820 eine Schule gegründet, in der ein Lehrer etwa 60 Kinder in den Elementarfächern unterrichtete. Leider musste auch diese ihren Betrieb 1824 einstellen. Anonyme Drohungen gegen ihn und seine Mätresse und Verfolgungswahn veranlassten den Kurfürsten Wilhelm II. zum zweiten Verbot der Freimaurerei, das mit einer kurzen Unterbrechung 1848-1850 von 1824 bis 1866 dauern sollte. Während dieser Zeit gab die Loge Pythagoras zu den drei Strömen in Hann. Münden den Brüdern Schutz und Arbeitsmöglichkeit.
Kasseler Freimaurerlogen von 1866 bis 1935
Als Kurhessen vom Königreich Preußen 1866 annektiert wurde, wurden auch die Logen wieder zugelassen. Es erfolgte eine dritte Blütezeit. Die Freimaurerei entwickelte sich zu einem selbstverständlichen, anerkannten Bestandteil der bürgerlichen Gesellschaft. Allerdings wurde bei der Loyalitätsbezeigung zum Vaterland auch der Kaiser mit einbezogen, obwohl Wilhelm II. nicht dem Bund angehörte. Die einstigen Vorkämpfer des Fortschritts wurden zu Hütern von Traditionen, was um den 1. Weltkrieg auch zum Abbruch der Beziehungen zu ausländischen Logen beitrug. Die gesellschaftliche Verankerung drückte sich in der Gründung einer Vielzahl neuer Logen aus:
- 1866: Zur Eintracht und Standhaftigkeit nahm die Arbeit wieder auf (gegründet: 1848)
- 1989: Friedrich zur deutschen Treue
- 1893: Zur Freundschaft
- 1909: Zur Einigkeit und Treue
- 1913: Zum aufrechten Löwen
- 1926: Herder zu den alten Pflichten
In dieser Zeit entstanden auch die Logenhäuser in der Sedanstraße 7 (1876), der Kölnische Straße 54a und am Ständeplatz 3. Besonders zahlreich waren die Wohltätigkeitseinrichtungen und Unterstützungsfonds: Casseler Freimaurer Witwen- und Waisenunterstützung, Gemeinsame Unterstützungsanstalt für Witwen und Waisen, Freimaurer-Sterbeverein Hannover, Armenkasse, Christbescherungsfond, Johannis-Unterstützungsfond.
Die Dunkle Zeit begann für alle Logen 1933. Manche stellten bereits nach der „Machtergreifung“ ihre Arbeit ein. Andere hofften durch Anpassung weiter existieren zu können. 1935 wurden die letzten Logen unter entwürdigenden Umständen geschlossen. Das bewegliche Inventar wurde enteignet oder vernichtet. Die Immobilien wurden verschleudert.
Kasseler Freimaurerlogen von 1945 bis heute
Im Frühsommer 1945 nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, nahmen Kasseler Freimaurer erste Kontakte zur amerikanischen Besatzungsmacht auf, um Genehmigungen zu gemeinsamen Treffen zu erhalten, da zunächst allgemeines Versammlungsverbot herrschte. Bereits im Herbst 1945 konnte sich vorbehaltlich der Genehmigung durch die amerikanische Militärregierung eine neue Einigungsloge, mit dem Namen Goethe zur Bruderliebe, in der Gastwirtschaft „Zilch“ in der Langen Straße 44, etablieren.
ie vereinigte 65 Brüder, der fünf von sechs vor dem Jahr 1933 in Kassel arbeitenden Logen. 17 Brüder der Logen Zur Freundschaft und Friedrich zur deutschen Treue fanden sich in der später wiedergegründeten Loge Zur Freundschaft zusammen. Zu den Gründungsvätern der Loge Goethe zur Bruderliebe zählt der amerikanische Militärgouverneur von Kassel, Colonel Gustav J. Albrecht. Auch eine ansehnliche Zahl seiner Offiziere war Freimaurer und arbeitete regelmäßig gemeinsam mit den deutschen Brüdern. Mit der Lichteinbringung wurde die Loge am 22. Juni 1947 im Kasseler Ratskeller förmlich in Arbeit gesetzt. Die Tempelarbeiten fanden zunächst in den Räumen der Waldorfschule statt, später dann im Ratskeller. Dort trafen sich die Brüder auch zu den Clubabenden. Mit den Verhandlungen über die Wiedergutmachungsansprüche und deren Erlöse kaufte die Loge 1950 ein vom Krieg beschädigtes Haus in der Friedrichsstraße 23. Bereits am 1. Dezember 1951, nach den Umbaumaßnahmen, wurde der neue Tempel erleuchtet.
Im neuen Logenhaus der Goethe zur Bruderliebe arbeitete auch die Loge Zur Freundschaft, die am 22. Januar 1949 wieder eingerichtet wurde, und bis zu diesem Zeitpunkt im Ratskeller arbeitete. Weihnachten 1984 kaufte diese Loge ein Kirchengebäude mit angeschlossenen Gemeinderäumen in der Murhardstraße 6. Seit dem9. Februar 1985 finden die Bruderabende und Tempelarbeiten dort regelmäßig statt.
Am 19. November 1958 erfolgte der Gründungsbeschluss elf Kasseler Brüder der Loge Goethe zur Bruderliebe zur Errichtung der Loge Durch Licht zum Frieden. Die Lichteinbringung fand am 22. Januar 1961 im Schloss Schönfeld statt. Seit dem Jahr 1969 nutzt auch diese Loge das Haus in der Friedrichsstraße. Somit waren bis 1984 alle drei Kasseler Logen unter einem Dach vereint.
Mit dem Beschluss vom 24. November 1989 und der Lichteinbringung vom 22. Juni 1991 in der Orangerie, wurde schließlich die Loge Tor zum Osten von Brüdern der Loge Zur Freundschaft gegründet. Heute hat die Loge ihre Räume in der Knorrstraße 6 eingerichtet.
Die vier in brüderlicher Harmonie verbundenen Kasseler Logen, mit ihren derzeit ca. 150 Brüdern, werden sich als älteste gesellschaftliche Einrichtungen weiterhin den Herausforderungen der Zukunft stellen und für Humanität, Toleranz und Freiheit einstehen.